Verfassungswidrigkeit einer zeitlich unbegrenzten Erhebung von Erschließungsbeiträgen

Eine Gemeinde in Rheinland-Pfalz möchte einen Grundstückseigentümer mehr als 25 Jahre nach Fertigstellung einer Straße an den Baukosten beteiligen und sog. Erschließungsbeiträge erheben. Ist das – nach einer so langen Zeit – überhaupt noch zulässig?

Nein, sagt das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung, die gestern veröffentlicht wurde (BVerfG, Beschluss vom 03.11.2021 – 1 BvL 1/19). Betroffene dürfen „nicht dauerhaft im Unklaren gelassen werden, ob sie noch mit Belastungen rechnen müssen“. Die Möglichkeit zur Erhebung von Erschließungsbeiträgen muss zeitlich begrenzt werden. Maßgeblich für den Beginn dieser zeitlichen Begrenzung ist der Eintritt der tatsächlichen Vorteilslage, also die Herstellung der Straße. Eine Landesvorschrift, die das nicht sicherstellt, verstößt gegen das Gebot der Rechtssicherheit und ist deshalb verfassungswidrig.

Der Beschluss knüpft an eine Entscheidung vom 05.03.2013 (1 BvR 2457/08) an, in der das Bundesverfassungsgericht bereits über die Notwendigkeit einer zeitlichen Begrenzung der Erhebung von kommunalen Abgaben entschieden hat. Neu entschieden wurde nun, dass die damals aufgestellten Grundsätze auch für die Erhebung von Beiträgen für die Herstellung von Straßen (sog. Erschließungsbeiträge) gelten. Wichtig ist außerdem die Klarstellung, dass die Frist für die Beitragserhebung mit der tatsächlichen Herstellung der Straße beginnt. Ob die Beiträge aus rechtlichen Gründen erst zu einem späteren Zeitpunkt erstmalig erhoben werden durften, ist nicht relevant.

Die Entscheidung dürfte für die Rechtspraxis – auch in anderen Bundesländern – von hoher Bedeutung sein. Zwar ist in Bayern erst am 01.04.2021 eine neue Regelung zur zeitlichen Begrenzung der Beitragserhebung auf 25 Jahre in Kraft getreten (Art. 5a Abs. 7 Satz 2 und 3 KAG), die den vom Bundesverfassungsgericht formulierten Anforderungen gerecht wird. Das gilt aber, soweit ersichtlich, nicht für alle Bundesländer.

Den Link zu der vollständigen Entscheidung finden Sie hier.

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