Praxisreport zur EUGH-Entscheidung zur FFH-Verträglichkeitsprüfung für EU-Vogelschutzgebiete – erheblicher Nachbesserungsbedarf in der Praxis

Der EuGH hatte über die Frage zu entscheiden, ob die Regelungen über die besonderen Schutzgebiete der Vogelschutz-RL und FFH-RL nur für diejenigen Arten gelten, die die Ausweisung des betreffenden Gebiets als besonderes Schutzgebiet rechtfertigen, oder auch für weitere nach Art. 4 der FFH-RL zu schützende Vogelarten, die in diesem besonderen Schutzgebiet vorkommen.

Der EuGH hat hierzu entschieden:

Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 der Vogelschutz-RL und Art. 6 Abs. 2 bis 4 der FFH-RL sind dahin auszulegen, dass sie den Mitgliedstaaten aufgeben, für jedes einzelne besondere Schutzgebiet hinsichtlich aller in Anhang I der Richtlinie 2009/147 aufgeführten Vogelarten und der in diesem Anhang I nicht aufgeführten, regelmäßig auftretenden Zugvogelarten sowie ihres Lebensraums Ziele und Schutzmaßnahmen festzulegen. Dabei obliegt es den Mitgliedstaaten, nach Maßgabe der Bedeutung dieser Maßnahmen für die Verwirklichung der Erhaltungsziele für alle diese Arten Prioritäten festzulegen.

Hieraus lässt sich eine praxisrelevante Reihenfolge ableiten: Zunächst sind Ziele und Schutzmaßnahmen festzulegen, ehe eine Priorisierung erfolgen kann. Eine Vorab-Priorisierung widerspricht damit dem Unionsrecht.

Das EuGH-Judikat stärkt erneut den Natur- und insbesondere den Vogelschutz und bringt erhebliche, insbesondere kurzfristige Folgen für die Praxis mit sich. Einige dieser Folgen sind:

  • für etliche EU-Vogelschutzgebiete werden im Allgemeinen Nachbesserungen bei den Erhaltungszielen erforderlich, wenngleich in unterschiedlichem Umfang.
  • Der Umfang an Vogelarten, die im Rahmen von FFH-Verträglichkeitsprüfungen bzw. FFH-Vorprüfungen hinsichtlich der Auswirkungen der jeweiligen Vorhaben zu beurteilen sind, nimmt zu. Die zu betrachtenden Arten (das sog. Artenset), die für die national gesicherten EU-Vogelschutzgebiete (Nationale Schutzgebiete oder Nationalpark) den Prüfungsmaßstab darstellen, dürfte (jedenfalls in vielen Fällen) nicht mehr ausreichend sein, um die FFH-Verträglichkeitsprüfung entsprechend den rechtlichen Anforderungen (aus der FH-RL und gemäß § 34 Abs. 1 BNatSchG) rechtsfehlerfrei durchführen zu können.
  • Im Besonderen drängt sich gerade in laufenden, noch nicht abgeschlossenen Zulassungsverfahren auf, die entsprechenden FFH-Verträglichkeitsprüfungen für EU-Vogelschutzgebiete auf die Anforderungen des EuGH-Urteils zu überprüfen. Dies stellt sowohl Vorhabenträger als auch Naturschutzbehörden, die regelmäßig die Schutzgebietsverordnungen zu überarbeiten haben, sowie Zulassungsbehörden und Gutachter vor große und kurzfristige Herausforderungen. Im Fall erforderlicher Überarbeitungen der entsprechenden Gutachten dürften weitere Beteiligungsschritte in laufenden Zulassungsverfahren erforderlich werden (vgl. etwa § 63 BNatSchG). Diese gilt es unbedingt einzuhalten, um verwaltungsgerichtlichen Angriffen standzuhalten.
  • Eine gänzlich neue FFH-Verträglichkeitsprüfung und eine Anpassung aller Schutzgebietsverordnungen ist im Rahmen anhängiger Zulassungsverfahren jedoch nicht durchzuführen bzw. vollständig abzuwarten. In diesem Fall lägen alle Projekte bis auf Weiteres auf Eis. Einen solchen drastischen Schritt lässt sich den Ausführungen der Ersten Kammer des EuGH nicht entnehmen.

Praxisreport zur EUGH-Entscheidung

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